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Nachdem kürzlich in einer Urteilsbegründung zur Ablehnung einer vorzeitigen Versichertenrente am Sozialgericht Braunschweig meine ärztlichen Befunde des ganzen Menschen abgewertet wurden, beziehe ich allgemein Stellung zu der Qualität ärztlicher Gutachten im sozialen Entschädigungsrecht und einer vorzeitigen Versichertenrente.

Den Betroffenen ist die übliche Strategie klar. Ablehnen ist einfach, Zugestehen mit Mehrarbeit verbunden.

Die Asymmetrie mit Kläger/Anwalt (SoVD z.B.) auf der einen und Richter:in /Staat oder Träger der Rentenversicherung, BG auf der anderen Seite ist offensichtlich und wird von einem Gutachtenwesen unterstützt, was den Menschen in Sektoren einteilt.

Eine fachübergreifende Sichtweise bleibt unerwünscht und Richter:innen und Beklagte kennen sich scheinbar besser aus als Hausärzte in dem, was ein Fachgebiet wie Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie/Unfallchirurgie oder Psychiatrie inhaltlich hergeben.

Ordnung ist das halbe Leben; sie macht es auch einfach.

Genau mit dieser willkürlichen Ordnung werden aber von allen die meisten Fehler gemacht, ob bewusst, bequem oder mit Unwissen, das will ich hier nicht bewerten.

Ein paar Beispiele:

Den häufigsten Fehler begehen alle Gutachter (Anwälte aufgepasst), wenn sie sektoral bleiben!

Beim orthopädisch-unfallchirurgischenGutachter kann dann ein Skelett mit Muskeln und Sehnen allein zur Arbeit gehen, auch wenn der Motor (Herz z.B.) stottert und die Software (Psyche zum Beispiel) nicht mehr funktioniert.

In den Beweisfragen fehlt die Diskussion, welche Bedeutung innere Erkrankungen wie zum Beispiel eine Herzschwäche auf die Leistungsfähigkeit der Wirbelsäule und Gelenke im Arbeitsalltag hat. Das Gleiche gilt für die Wahrnehmungen (Kognitionen), die Steuerungsfähigkeit des Körpers und die mit einer psychischen Erkrankung wie Angststörung, Traumafolgestörung oder z.B. Persönlichkeitsstörung verbundenen typischen körperlichen Ausdrucksweisen, die durch Verschleißerkrankungen erheblich mehr Einfluss auf den ganzen Körper und damit auch die zumutbare Arbeitsbelastung gewinnen können. 

Ja, da trennen sich dann Spreu und Weizen in den Gutachter:innen!

Vielleicht ist es tröstlich zu wissen, dass derartige Fehler von nahezu allen Gutachter: innen begangen werden. (ich mag "gendern" nicht, halte es aber solange für erforderlich, bis eine gesetzliche Regelung zur Parität in allen politischen Ämtern eingeführt wurde)

Der Neurologe klopft die Reflexe, dehnt die Nerven, misst deren Leitung und wenn er Psychiater noch dazu ist, beurteilt er die Software eines ganzen Menschen. Die psychischen Beurteilungen werden beim Psychiater weiter unten noch angesprochen. In den Gutachten fehlen in der Regel die Spannungsverteilung des ganzen Körpers im Bezug zum vegetativen Nervensystem, der  Bauchbefund hinsichtlich der im Stress eingeschränkten Verdauungsleistung, damit auch einer Adipositas oder Untergewicht und der Skelettmuskulatur, mithin eines allgemeinen Trainingszustandes. Wie der Orthopäde/Unfallchirurg schickt der Neurologe das Nervensystem allein zur Arbeit und bewertet nahezu niemals, in welchem Umfang Störungen der nervalen und psychischen Funktionen Einfluss auf die Gesamtleistung, also zum Beispiel auf die Wirbelsäule oder die verschlissene Hüfte gewinnen.

Na, da kommen einer Richter: in, Anwalt:in oder Rechtsvertretung doch schon Ideen für Beweisfragen, ober nicht etwa?

Beim Psychiater:in habe ich den Eindruck, dass alle irgendwie Respekt haben, obwohl die Gutachten in der Regel nicht einfach nachvollziehbar sind. Da wird ganz viel Anamnese erhoben, Fragebögen ausgefüllt und nach der Abrechung des Gutachtens auch Stunden zusammen verbracht. Fällt denn Niemandem auf, dass der psychiatrische Gutachter:in  zwischen Anhäufungen von Beschreibungen und Bewertungen wie aus dem Nichts zu einer Diagnose springt, deren Zustandekommen nicht hergeleitet wird und nicht wie ein mathematischer Beweis einem Algorithmus oder Logik (machen die Anderen auch nicht, aber hier fällt es besonders auf) folgt.

Gut, das ist die Diagnose, was nun tun? Ist Patient:in nun krank oder nicht? Die Qualität der Diagnose stelle ich schon mal nach dieser Beobachtung infrage; was ist dann mit der Quantität? Ich habe noch niemals ein psychiatrisches Gutachten gelesen, aus dem die Quantät der Betroffenheit (Krankheitsschwere), sofern nicht einer schwere Organerkrankung des Fachgebietes vorliegt - und wir reden hier nicht von der mittelschweren Depression, Anpassungsstörungen oder Angststörungen - im Zusammenhang mit der neurologischen Steuerungsfähigkeit des ganzen Körpers und degenerativen Veränderungen von Wirbelsäule und Gelenken diskutiert wurde.

Warum nicht? Ganz einfach, ein Psychiater:in fasst den Menschen, den er beurteilt in aller Regel nicht an, obwohl sie es als Arzt:in im Gegensatz zu einem Psychotherapeut:in dürfte!

Demnach gehen also Angststörung, mittelschwere Depression oder Anpassungsstörung allein zur Arbeit - ach, ja, da war doch noch was, der Körper. Dafür sind ja die anderen zuständig.

Von der inneren Medizin will ich nicht viel sagen. Der Internist ist ja der eigentliche Arzt von allen und die Innere war früher die Königsdisziplin, bis das Fachgebiet zerlegt wurde. Der Kardiologie versteht sich nunmehr aufs Herz und fasst den Bauch nicht an. Der Gastroenterologe sieht in die Höhlen im Menschen, seine inneren Oberflächen und beurteilt nicht mehr die Funktionen des vegetativen Nervensystems, des Betriebssystems des Menschen. Der Hausarzt, der Teile der inneren Medizin vertritt, jedenfalls in den Medikamentenverordnungen und seiner Überweisungsfunktion, fasst nur noch selten selbst den Körper an, sagen die meisten Patienten.

Was tun und was ist eigentlich der ganze Mensch?

Mir wirft ein Richter vor, das ich fachübergreifend Bezüge herstelle, von Abspaltung und Dissoziation spreche und diese Diagnose häufig nutze.

Mit dem Tool der "Psychologischen Körperanalyse" habe ich bei fast allen Patienten einer orthopädischen Fachpraxis mehr oder weniger Kombinationen von zentral neurologischen Stressfunktionen, Affekt- und Gefühlsstörungen, Störungen der Verdauungsleistung und schließlich damit einhergehende chronische Entzündungen mit strukturellem und funktionellen Verlust des Körpers im Ausdruck z.B. multiplen Bandscheibenschäden und Arthrosen gefunden.

Der Mensch erscheint mir aus Sicht meines wissenschaftlichen Fachgebietes mehr zu sein als seine Bandscheibe oder die Arthrose im Hüftgelenk.  

Das ist die Erkenntnis! Alles hängt zusammen und die menschliche Biologie pfeift auf unsere sektoralen Fachgebiete.

Deshalb sind sämtliche sektoralen Gutachten im Algorithmus und im Ergebnis hinsichtlich der Einordnung und der Bezugnahme auf die Gesamheit des Menschen zu überprüfen!

Das rechte Bein ist eben nicht die Vorderachse rechts und hat mit zentralnervöser Steuerung, Affekt- und Impulskontrolle, Trainingszustand und Stoffwechsel des Bauchraumes, Herz- und Kreislauffunktionen mitunter ganz viel zu tun und machmal nicht.

Aber genau da zeigt sich doch Arzt: in, warum wird den sonst solange studiert und später klinisch gelernt? Damit ich einen Meniskus am Knie oder Polypen aus dem Darm entferne, den Blutdruck als Regelgröße komplexer endokriner und zentralneurologischer Funktionen in Schach halte? Das können Techniker und bald auch KI besser. 

Wieso wundert sich ein Sozialrichter:in eigentlich über die Häufigkeit einer dissoziativen Körperreaktion? Ich habe sie in meiner "Psychologischen Körperanalyse" ausführlich diskutiert. Dissoziation ist im körperlichen Ausdruck affektiv verknüpfter Halbseitenschwäche ein Synonym für Trauma und wird in unserer Gesellschaft am häufigsten beim Kind, Frau und in Armut angetroffen. Und wer klagt beim Sozialgericht? Genau - da wisst ihr schon wer? 

Kurzum, glaubt keinem Arzt:in, Richter:in oder sonst wie angesehenen Menschen, wenn ihr es nicht in den Schriften, von glaubhaften Zeugen oder selbst an euch erfahren habt. Ich nehme micht selbstverständlich nicht aus!

    

  

  

 

 

 

    

 

 

 

 

 

 

  

 

 


 
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